4. Transrapid-Fachtagung in Dresden

Transrapid im produktiven Einsatz, hoher industriepolitischer Nutzen bei Einsatz in Deutschland

Die 4. Transrapid Fachtagung in Dresden fand unter dem Hintergrund der Aufnahme des kommerziellen Betriebs des Transrapid drei Tage vor Anfang dieses Jahres sowie der Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens für die erste kommerzielle Anwendungsstrecke in Deutschland statt. Die Hauptveranstaltung wurde moderiert von dem Geschäftsführenden Direktor des Kompetenzzentrums für Hochleistungsbahnen und Magnetschwebetechnik an der Technischen Universität (TU) Dresden, Professor Arnd Stephan, die Grußworte kamen von Prof. Wilfried Killisch, dem Prorektor für Wissenschaft. Für die etwa 200 Teilnehmer der Tagung wurden 19 Vorträge gehalten.

Folgende Themen waren Gegenstand der Vormittagsveranstaltung:

Eröffnungsvortrag: Der Transrapid in Deutschland - ein Synonym für ein blockiertes Land?
Gunter Weißgerber, Mitglied des Bundestages und des Gesprächskreis Transrapid
Herr Weißgerber, vor 15 Jahren einer der Redner auf den Montagsdemonstrationen, schilderte seine persönlichen Eindrücke mit dem von ihm herbeigesehnten föderalem System in der größer werdenden Bundesrepublik und stellte fest, daß wir uns politische Entscheidungswege leisten, welche gekennzeichnet sind von "organisierter Verantwortungslosigkeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen" sowie Kompetenzwirrwarr und Machtpoker. Hierbei ging er auch auf den Bundesrat ein, dessen Möglichkeiten zur Blockade "zunehmend ausgenutzt" wird. Dabei nahm er auch auf das "unrühmliche" Verhalten seiner Partei nicht aus.
Er betrachtete den Transrapid als Spielball von Interessengruppen, dessen Verhinderung bis heute sich auf dem "föderalen, auf Reformstau und Beharrung ausgelegtem Deutschland unserer Tage und auch dem fehlenden Mut der Industrie" begründet. Beeindruckt war er von dieser Technologie nach einem Fernsehbericht in den 80er Jahren über die Teststrecke in Lathen, wo der Transrapid als "grünste Innovation des 20. Jahrhunderts im Bereich fahrbahngebundener Verkehrsmittel" - im Gegensatz zu China - nach den Worten Münteferings auch heute noch im Kreis herumfährt, obwohl er schon lange für den Fahrgastbetrieb einsatzreif ist.
Er bekräftigte seinen Einsatz für die geplante Transrapid-Strecke im München, wobei er sich im Haushaltsausschuß des Bundestages mit Frau Göring-Eckhard von den Grünen zusammenarbeiten muß. Da diese nicht willens ist, von ihrer ablehnenden Haltung abzurücken, könnte dieser Konflikt nur durch ein Machtwort von Gerhard Schröder und Joschka Fischer zugunsten des Transrapid entschieden werden.
In seinem Schlußwort warb er als Leipziger für eine zusätzliche Verbindung von Berlin zum Flughafen Leipzig, der in 20 Minuten erreicht werden könnte und einen neuen Berliner Großflughafen überflüssig machen könnte, auch wenn diese jetzt noch nicht auf der Tagesordnung steht.

Zukunft des Transrapid in Deutschland - Stand der Entwicklung und Ausblick durch die Bundesregierung
Ministerialrat Dipl.-Ing. Wolfgang Dörries
Herr Dörries ging in seinem Vortrag auf den Transrapid-Plafont für Anwendungsstrecken in Deutschland, der Transrapid-Versuchsanlage im Emsland (TVE), dem Weiterentwicklungsprogramm (WEP) sowie auf Kooperationsabkommen mit den USA und der VR China ein. Er berichtete im Zusammenhang mit der geplanten Anwendungsstrecke in München von einem neuem Aspekt, welcher auf der letzten Fachtagung noch nicht bekannt war. Auf Initiative des Bundesrechnungshofes ließ das BMVBW den industriepolitischen Nutzen für diese Strecke durch einen unabhängigen Experten, Prof. Baum, ermitteln. Nach dessen Ergebnis würde im ungünstgsten Fall das durch den verkehrspolitischen Nutzen bedingte Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,6 sich auf 1,89 erhöhen und im günstigsten Fall sogar auf einen Wert von über 4,0. Das Gutachten befindet sich zur Zeit in der Detailprüfung. Das BMVBW erwartet Zielkosten von 1,85 Mrd. Euro für den Bau der Strecke und eine gegenüber der Machbarkeitsstudie verbesserte Erlösprognose. Im Haushaltsentwurf für 2005 stehen weiterhin 550 Mio. Euro zur Verfügung. Er wies darauf hin, daß der chinesische Bauleiter für chinesische Transrapid-Projekte, "Commander Wu" auf das Scheitern des Projekts in München wartet, damit er die Chance bekommt, zum Nulltarif das gesamte deutsche Know-How zu erhalten. Er bekräftigte damit seine Ansicht, daß das Projekt kommen muß, um der Technologie zur Sicherung der Kompetenz und von Arbeitsplätzen zum Durchbruch zu verhelfen. In dieser Phase des Projekts sind im Bereich der Systemtechnik, dem Ingenieurwesen und Planung ca. 1000 - 2000 Personen mit dem Thema beschäftigt.
Im Juli konnte eine Aufstockung der Finanzmittel für das WEP für 2004 auf 40 Mio. Euro und für 2005 auf 32,5 Mio. Euro erreicht werden. Von der Industrie erwartet das BMVBW einen hohen Eigenbeteiligungsanteil sowie ein Kostensenkungspotential bei Investitions- und Betriebskosten gegenüber der Machbarkeitsstudie von 20%. Nach der 2003/2004 erfolgten Ertüchtigung der 20 Jahre alten TVE soll diese 2005 unter Fahrplanbedingungen durch die DB AG betrieben werden. Durch die Ertüchtigung wurde nach seiner Einschätzung die Verfübarkeit der Anlage deutlich erhöht. Der Fortbestand und die Finanzierung der TVE ist bis spätestens Mitte kommenden Jahres zwischen den Beteiligten zu klären. Denn die bisherige Finanzierungsverabredung läuft 2005 aus und für 2006 sind im Haushalt nur noch Auslaufbeiträge eingeplant. Außerdem läuft die Planfeststellung für die TVE 2008 aus. Hier ist eine politische Entscheidung erforderlich. Nach Auffassung von Herrn Dörries die Anlage "aus fachlicher Sicht" weiter benötigt, damit die noch zu entwickelnden Komponenten nach dem Jahreswechsel 2006/2007 in letzten Phase des WEP auch getestet und zugelassen werden können.
Derzeit findet eine Diskussion mit Vertretern der VR China um ein neues Kooperationsabkommen in Bezug auf neue Anwendungsstrecken dort statt. Hierbei geht es insbesondere um die Realisierung einer 170km langen Verbindung zwischen Shanghai und Hangzhou bis zur EXPO 2010, deren Probebetrieb ab 2009 erfolgen soll. China möchte einen 70%igen lokalen Anteil an der Produktion und eine 50%ige Kostensenkung erreichen, hält die Kernkompetenz der deutschen Systemindustrie noch für unverzichtbar. Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA wird seitens des BMVBW die Verabschiedung des Efficiency Act 22 und anschließend eine Intensivierung des Kooperationsabkommens erwartet, wobei eine Entscheidung über eine mögliche erste Anwendungsstrecke in den USA fallen könnte. Als mögliche Strecken sind derzeit die Flughafenanbindung Pittsburg, die Strecke Baltimore-Washington und die Verbindung zwischen Las Vegas und Primm (mit Weiterführung in Richtung Los Angeles).

Das Weiterentwicklungsprogramm TRANSRAPID des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen
Dipl.-Ing. Stefan Herzberg
Herr Herzberg gab zunächst einen Abriß über die Geschichte des WEP, welches am 05.02.2000 mit dem Stop der Planung für die Strecke Hamburg-Berlin, zusammen mit weiteren Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Technologie (Machbarkeitsstudien, Fortbestand der TVE, internationale Kooperationsabkommen) angekündigt wurde. Das WEP besteht aus den Projekten "Weiterentwicklung Systemtechnik" und "Neuentwicklung kostenreduzierter Fahrweg". Im ersten geht es in erster Linie um die Fortentwicklung der Technologie sowohl im Fernverkehr als auch im Shuttlebetrieb und um die Reduktion der Kosten für die Systemkomponenten. Bei der Weiterentwicklung des Fahrwegs geht es um Berücksichigung neuer Belastungen des Materials, welche sich aus einem Shuttlebetrieb und einer erhöhten Taktrate ergeben.
Beide Projekte bestehen aus vier Phasen, d.h. Konzeption bzw. Verhandlung, Entwicklung/Konstruktion Lieferung von Prototypen sowie deren Zulassung. Am Ende der inzwischen abgeschlossenen ersten Phase der Projekte wurden insgesamt 14 Entwicklungsthemen festgelegt, welche das Gesamtsystem, den Antrieb, die Betriebsleittechnik, das Fahrzeug und den Fahrweg betreffen.
Bei der Fortenwicklung des Gesamtsystems werden aktualisierte, anerkannte Regeln der Technik in die MSB-Systemdokumente eingearbeitet, ein durchgängiges Diagnosekonzept mit einer einheitlichen Software-Architektur entwickelt und eine Lösung zur Reduktion des Anschlußfahrwegs (u.a. Verkürzung von Fahrweglängen in Endstationen) erarbeitet.
Im Bereich Antrieb sollen das Verfahren der Feldmeßsonde für eine robustere Regelung, eine innovative standardisierte Regelungs- und Steuerungs-Hardware sowie eine Umrichtereinheit mit Energierückspeisungsmöglichkeit, geringerem Raumbedarf, höherer Leistung und Lebensdauer zum Einsatz gebracht werden.
Die Betriebsleittechnik soll für eine Bereichsüberlappung erweitert werden, um eine erhöhte Zugfolge, eine Verringerung der Anzahl von Unterwerken und Antriebsbereichen sowie eine Erhöhung der Flexibilität des Betriebes in Stationen und Wendeanlagen ermöglichen. Dagegen ist heutzutage eine Betriebsleitzentrale für einen zu überwachenden Bereich verantwortlich.
Ein neues Fahrzeug soll für den speziellen Anwendungsfall Flughafenzubringer entwickelt werden, und Fahrzeuge sollen in Zukunft Bordenergie auch bei Geschwindigkeiten unter 100km/h berührungsfrei aufnehmen. Bisher liefert der Linearmotor erst ab dieser Geschwindigkeitsgrenze berührungsfreie Energie. Dadurch entfallen zwei sicherheitskritische Aktionen bei der Ankunft und Abfahrt eines Zuges, mechanische Wechselwirkungen, bestimmte Instanhaltungsarbeiten und es werden Schallemissionen, Betriebsrisiken im Winter sowie generell Investitionskosten reduziert. Im Themenkomplex Fahrweg ist die Aufgabe der Entwicklung einer automatischen Fahrwegdiagnose, eine Reduktion von Erschütterungen durch ein Masse-Feder-System und eine Optimierung von Fahrwegträger und -lager enthalten. Desweiteren soll die Anzahl der Spurwechseleinrichtungen erhöht und die aerodynamischen und funktechnischen Bedindungen in Tunnelbereichen verbessert werden.

Die deutsche Magnetbahn - Anwendungsfall Hauptbahnhof-Flughafen München
Ministerialdirigent Dieter Wellner
Die erfolgreiche Verwirklichung des neuen Münchener Flughafens seitens des Freistaats war für Herrn Wellner seine "Jugendsünde". In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, daß es heutzutage sehr schwierig sein wird, einen Flughafen in Großstadtnähe zu bauen, was auch noch die Berliner Planer erfahren könnten. Unter diesem Hintergrund könnte der Flughafen Leipzig, der - wie von Herrn Weißgerber angesprochen - durch eine Transrapid-Verbindung ein Vorortflughafen von Berlin wäre, eine sinnvolle Alternative darstellen.
Mittlerweile ist nach seinen Worten der Flughafen der "zweitgrößte österreichische Flughafen", er besitzt daher ein großes Einzugsgebiet, wobei viel Verkehr aus dem Raum Salzburg kommt. Der Hauptbahnhof München wird derzeit täglich von 750 Regional- und Fernzügen sowie 1100 S-Bahnen und 1000 U-Bahnen angefahren. Für Bayern ist es verkehrspolitisches Ziel, eine schnelle, direkte Flughafenanbindung zu schaffen. Hierfür erscheint der Transrapid ideal. Bayern zahlt daher den größten Anteil für die Finanzmittel der BMG. Die EU hat für das Planfeststellungsverfahren der Transrapidstrecke aus den Mitteln für Transeuropäische Netze eine Förderung von 7,5 Mio. Euro beschlossen, da mit dieser überwiegend Fernverkehrsreisende von der Straße auf die Schiene verlagert werden.
Herr Wellner hielt auch aus industriepolitischer Sicht die Strecke für wichtig, denn ungeachtet der Tatsache, daß der Transrapid in China überaus erfolgreich ist, werden potentielle Kunden aus dem Ausland skeptisch, wenn diese Technologie nicht auch in Deutschland zum Einsatz kommt. Auch gegenüber einer Expreß-S-Bahn hat der Transrapid einige Vorteile. Erstere würde auch über 1 Mrd. Euro kosten, von denen 49% Bayern zu tragen wären. Außerdem müßten jährlich 23 Mio. Euro Bestellerentgelte an die DB AG gezahlt werden. Wegen der längeren Fahrzeit wäre zudem mit 40% weniger Fahrgästen zu rechnen. Außerdem würde der Bund nach einer zweiten S-Bahn-Neubaustrecke mittelfristig kein weiteres Rad-Schiene-Großprojekt in München fördern.
Anfang November wird eine Aufsichtsratssitzung bei der BMG stattfinden und eine Entscheidung zum Planfeststellungsverfahren gefällt werden. Realisierungsentscheid wird erst nach dem Abschluß des Planfeststellungsverfahrens stattfinden. Die Hauptlast der Investition wird bei der öffentlichen Hand liegen.
Die bayrische Landesregierung signalisiert auch, daß sie den Transrapid möchte, aber nicht "um jeden Preis". Deshalb müßten sich auch noch der Bund und die Industrie bewegen. Gemeint ist hier eine Aufstockung der Bundesmittel aus dem Transrapid-Plafont. An die Industrie gerichtet, meinte er zum Preis von 50 Mio. Euro pro Kilometer für die Strecke, "viele wollen verdienen, wir müssen ihn wirklich wollen". Die Industrie solle sich zum Kilometerpreis erklären und die Verfügbarkeit der Komponenten garantieren.

Entwicklungspotential des Transrapid für zukünftige Einsatzfelder
Luitpold Miller
Herr Miller stellte zunächst die Entwicklungsgeschichte der bei Thyssen gefertigten Fahrzeuge, vom Versuchsfahrzeug HMB2 von 1976 bis zum für 2006 geplanten Transrapid 09 dar. Letzter wird im Rahmen des Weiterentwicklungsprogramm für den Anwendungsfall Flughafen-Shuttle in enger Abstimmung mit der BMG und der DB AG optimiert. Der jetzt in Lathen und in Shanghai im Einsatz befindliche Fahrzeugtyp wurde erstmalig während der EXPO 2000 einem breiten Publikum vorgestellt und erreichte in China eine Geschwindigkeit von bis zu 501,5 km/h, eine Verfügbarkeit von 99,8% mit weiter steigender Tendenz und Anfang Juli eine Anzahl von einer Mio. Fahrgäste. Der TR09, dessen Entwicklung inzwischen begonnen hat, wird breitere Einstiegstüren, für ein komfortables Raumempfinden einen gegenüber heute verringertem Innengeräuschpegel und eine Gangbreite von einem Meter bei vier Sitzen pro Reihe aufweisen. Für die Anlieger wird das Fahrzeug um 2 bis 3 db leiser sein, da wegen einer berührungsfreien Energieeinspeisung bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h es keine Stromabnehmeröffnungen mehr gibt. Der Betreiber kann durch eine Erhöhung der Transportkapazität, höherer Zuverlässigkeit und geringeren Instandhaltungskosten mit einer besseren Wirtschaftlichkeit rechnen.
Der neue Fahrzeugtyp wird auch Konstruktionsmerkmale aufweisen, welche ihn kollisionsverträglicher machen. So wurde eine neue Bugstruktur entwickelt, welche die anfallende kinetische Energie bei den Aufprallszenarien Baum am bzw. quer auf dem Fahrweg und 50 kg schwerer Stein auf dem Fahrweg im Falle eines Falles auf ein unkritisches Maß verringern soll. Dies konnte in Tests bereits nachgewiesen werden. Für das Aufprallszenario kleine Steine auf dem Fahrweg wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden eine Lösung erarbeitet, welche vor Beschädigungen der Tragkufen im Unterflurbereich schützen soll.
Aus dieser Zusammenarbeit entstand inzwischen ein neuartiges Gleitsystem, welches bei einem äußerst selten vorkommendem, gleichzeitigem Ausfall benachbarter Tragmagnete den Zug sanft zum Stillstand bringen soll. Gegenüber früher bestehen die Kufen nicht mehr aus Stahl, sondern aus CFC Kunststoff, wobei der Fahrweg mit einer speziellen Gleitebene versehen ist. Die Erwartungen aus einer Verschleißprognose von 0,01mm Abrieb pro km konnten in Shanghai und Lathen verfifiziert werden.
Auch bei der Fahrwegsausrüstung konnten im Rahmen des Shanghai-Projekts bereits Verbesserungen eingebracht werden. Ein Erdschluß bei der Motorwicklung durch nach nach deren Neuentwicklung ausgeschlossen werden. Außerdem konnte durch Optimierung der Verlegefahrzeuge die Biegungs- und Verlegegeschwindigkeit um den Faktor 2,5 verbessert werden.
Die Kosten der Instandhaltung elektronischer Fahrzeugbaugruppen betragen in Shanghai pro Sitzplatz und Kilometer 0,1 Cent, bis 2007 wird eine Verringerung um 30% erwartet.

Herausforderungen der Verkehrspolitik in Ostmitteleuropa
Dr. Gerhard Platzer
Herr Dr. Platzer ging als einziger Vortragender auf die Anforderungen ein, die sich an den Gütertransport aufgrund der größer werdenden EU stellen werden. Nach der EU-Erweiterung werden sich die europäischen Regionen neu positionieren. Es kommen 75 Millionen Neubürger hinzu und es gibt große Distanzen zum derzeit einzigen gegenwärtigen wettbewerbsfähigen Wirtschaftskernraum (Grenzraum zwischen Deutschland-Schweiz-Italien zu Benelux und Frankreich sowie Südengland, "Blue Banana") zu überwinden. Eine neue Kernzone "New Banana", welche Bereiche von Polen, Tschechien, der Slowakai, Österreich und Ungarn umfaßt, wird entstehen. Eine Zwischen den Jahren 2000 und 2015 wird das Güterverkehrsaufkommen in den (alten) EU-15-Ländern um 25% zunehmen, in den neuen Ländern sogar um 60%. Dabei wird sich die Ausrichtung der Verkehrsströme in Ost-West-Richtung weiter verstärken. Dies wird zu einer Überlastung des Straßenverkehrsnetzes führen, was sich besonders auf den Wirtschaftskernraum, u.a. auf Österreich und Deutschland auswirken wird. In Österreich liegt der Anteil an grenzüberschreitendem Verkehr aus den neuen EU-Ländern bereits bei 70%. Um die verkehrlichen und ökologischen Belastungen des Straßenverkehrs abzumildern, ist eine Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf den konventionellen Bahnverkehr sowie eine betriebliche Trennung des regionalen/internationalen sowie des Personen- und Güterverkehrs erforderlich. Hierbei muß insbesondere eine neue Qualität beim Personenfernverkehr geschaffen werden.
Herr Dr. Platzer stellte Ergebnisse seiner Untersuchungen vor, die auf einem Erreichbarkeitsbasiertem Raster-Raumanalyse Modell (ERRAM) basieren. Er ging dabei auf Änderungen im Bevölkerungspotential im 120 Minuten Einzugsbereich entlang einer Transrapid-Strecke innerhalb des Paneuropäischen Korridor IV, d.h. zwischen Berlin und Budapest im Jahr 2020 ein, welche innerhalb des Projektes "Sustrain Implement Corridor (SIC)" untersucht wird. Hierbei wären die Auswirkungen rund um Wien und Bratislava besonders ausgeprägt. Dagegen wäre ohne geeignete Maßnahmen auf den Straßen im Bereich der ehemaligen EU15-Außengrenze der Stau auf der Tagesordnung.

Neu in das Programm genommen wurde ein Vortrag über den Stand der Transrapid-Planungen in den Niederlanden, welcher von dem Leiter des Referats 303 der Niedersächsischen Staatskanzlei (Herrn Dr. Peter Best) gehalten wurde. Derzeit ist nach seinen Worten die Ausschreibung für die Zuiderzeelijn in vollem Gange. Mit dieser Verkehrsachse Amsterdam-Groningen soll eine regionalpolitische Entwicklung des Landes verwirklicht werden. Hierfür hat die niederländische Regierung 2,7 Mrd. Euro vorgesehen, 1,1 Mrd. Euro soll der Eigenanteil der Regionen sein. 800 Millionen Euro stehen unter dem Vorbehalt, daß die Mittel für den Transrapid eingesetzt werden, zusätzlich zur Verfügung. Es gibt allerdings noch eine Kostenlücke von 2,13 Mrd. Euro, deren Deckung noch auszuloten ist. Es gibt einen Regionenkonflikt zwischen den nördlichen und südlichen Provinzen. Am 23.04.2004 wurde grünes Licht für die weiteren Verfahrensschritte gegeben. Hierbei handelt es sich um die Unterzeichnung einer Finanzierungsvereinbarung, der Erstellung eines Preisrahmens und technischer Anforderungen, sowie um ein Erkundungsverfahren. Siemens Niederlande wird Angebote sowohl für eine Rad/Schiene- als auch für eine Magnetbahn-Lösung abgeben. Niedersachsen hat die Federführung bei der Planung der Verlängerung der Strecke nach Hamburg übernommen. Im Dezember soll ein Treffen der Regierungschefs der Nordniederlande und Norddeutschlands stattfinden. Für diese Strecke sind EU-Fördermittel möglich. Frau De Palacio bedauerte das Aus der Strecke Hamburg-Berlin. Aus niederländischer Sicht war der Verzicht auf den Metrorapid eine katastrophale Entscheidung. Er zeigte sich interessiert an dem Gutachten von Herrn Prof. Baum über den industriepolitischen Nutzen der Magnetschwebetechnologie.

Die Nachmittagsveranstaltungen widmeten sich mit jeweils drei Vorträgen dem Themenkomplexen "Perspektiven - Konzeptionen" (A), "Realisierungserfahrung - Shanghai" (B), "Forschung - Technik" (C) und "MSB-Projekt München" (D).

Die Fachtagung wurde beendet mit einer von Prof. Dr. Armin Godau geleiteten Podiumsdiskussion, an welcher sich R. Kretschmer, Dipl.-Ing. Erwin Merkel, Dipl.-Ing. Wolfgang Dörries, Luitpold Miller und Dr. Edgar Trawnicek beteiligten. Es wurde festgestellt, daß die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 01.10. darüber berichtete, daß das Projekt eines europäischen Hochgeschwindigkeitszuges wegen zu hoher Hürden bei der Verallgemeinerung der länderspezifischen Standards aufgegeben werden mußte. Dagegen wäre mit dem Transrapid technisches Neuland betreten worden, welcher zu einem einheitlichen technischen Standard führen würde. Ferner wurden auch die Themen Container-Gütertransport im Transrapid und die Schaffung von Sekundärarbeitsplätzen durch den Einsatz der Transrapid-Technologie erörtert. Insgesamt ging von dieser Diskussion die Botschaft aus, die Magnetschwebetechnogie auf europäischer Ebene zum Einsatz zu bringen, um das Zusammenwachsen zwischen alten und neuen EU-Staaten zu beschleunigen.


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